Interview zum Projekt TRAuM des Berliner TSC
Wir sprechen mit Gesine Bär, Projektleiterin und Spielerinnenmutter, sowie mit Kristina Fodjo, einer ehemaligen Spielerin des Berliner TSC.
Interview zum Projekt TRAuM des Berliner TSC
Der Fußball macht es vor: rassistischen und anderen diskriminierenden Anfeindungen muss auf und neben dem Platz entschieden entgegengetreten werden. Es braucht eine klare Haltung und eine breite Reaktion von den Teams, den Offiziellen, Ehrenamtlichen und Zuschauenden.
Auch im Handball stehen wir ein für Vielfalt und gegen Diskriminierung. Fast jede von uns hat bereits diskriminierende Vorfälle mitbekommen. Der DHB führt derzeit die Kampagne „Hands up for more“ durch, die die Nachhaltigkeit und Sichtbarkeit des Frauenhandballs fördern soll, insbesondere im Hinblick auf die Frauen-Weltmeisterschaft 2025. Parallel dazu läuft die Initiative „Voices for more“, die Spielerinnen eine Plattform für persönliche Geschichten und für Gleichberechtigung bietet.
Prävention und Sensibilisierung sowie Klarheit für das Vorgehen bei Vorfällen und Unterstützung für Betroffene fehlen allerdings noch häufig.
Da setzt das Projekt TRAuM (Teams für Respekt, Awareness und Menschenwürde) des Berliner TSC an, seit Mai 2025 gefördert vom Bundesministerium des Innern und für Heimat aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.
Wir sprechen mit Gesine Bär, Projektleiterin und Spielerinnenmutter, mit Kristina Fodjo, ehemalige Spielerin des Berliner TSC, die inzwischen für die Spreefüxxe in der 2. Liga spielt und Birgit Hofmann aus der Abteilungsleitung Handball.
Gesine, was hat Dich bewegt, dieses Projekt gemeinsam mit anderen Mitstreiterinnen in unserem Verein auf den Weg zu bringen?
Wir sind zunächst einmal eine Gruppe von Handballenthusiastinnen. Und da treibt uns ein Gefühl von Verantwortung für die Sportumgebungen, in denen sich unsere Kinder, ihre Freundinnen und wir selber uns bewegen. Hier erleben wir leider immer wieder Diskriminierungen in ganz unterschiedlichen Situationen – entweder als Zeuginnen oder als Betroffene. Aber gleichzeitig erleben wir auch eine gewisse Sprachlosigkeit in diesen Situationen. Das deckt sich mit aktuellen Untersuchungen, wie sie beispielsweise die Humboldt-Universität zum Thema „Zugehörigkeit und Diskriminierung im Sport“ 2023 im Auftrag des Landesportbundes herausgearbeitet hat. Daher wollen wir hier für die Zukunft gemeinsam mehr Handlungsfähigkeit entwickeln.
Gab es einen konkreten Fall, der die Geschichte ins Laufen gebracht hat?
Ja. 2024 hat sich die Frauenmannschaft des Berliner TSC nach einem rassistischen Vorfall auf den Weg gemacht. Es gab diskriminierende Fangesänge bei einem Auswärtsspiel. Kristina hat das damals als Spielerin an uns herangetragen und wir haben es über den TSC öffentlich gemacht. Birgit und ich waren im Unterstützerinnenteam. Im Ergebnis haben wir mit dem gegnerischen Verein eine gemeinsame Aufarbeitung sowie einen Aktionstag für Vielfalt und Toleranz beim Rückspiel verabredet.
Kristina, du bist inzwischen nicht mehr beim Berliner TSC, aber dem Projekt noch beratend verbunden. Wie beurteilst du heute die damalige Situation und die Aufarbeitung?
Leider ist für uns Schwarze Spielerinnen Rassismus im Alltag kein Sonderfall. Auch im Sport müssen wir immer wieder mit Kommentaren oder beabsichtigter wie unbeabsichtigter Diskriminierung umgehen. Damals ging es mir so, wie Denis Schröder jetzt bei der Basketball-EM. Das konnte ich einfach nicht unkommentiert stehen lassen und gemeinsam mit dem Verein konnten wir das öffentlich machen. Es gab eine klare Abgrenzung auch beim gegnerischen Verein von rassistischen Sprüchen. Das war wichtig.
Setzt das Projekt hier für dich an den richtigen Stellen an?
Das Projekt finde ich gut und nötig. Wir haben damals die Erfahrungen nicht weiter verwendet, beispielsweise um mehr Antisdiskriminierungsarbeit im Handball einzufordern oder mehr Sensiblisierung auf allen Ebenen anzustoßen; auch feste Strukturen für das Melden von Vorfällen und deren zuverlässige Bearbeitung kennen wir im Handball noch nicht. Das Projekt arbeitet hier an ersten wichtigen Stellschrauben. Die Förderung über das Bundesprogramm kam daher zur richtigen Zeit und hat die professionelle Beratung durch erfahrene Antidiskiminierungs-Trainerinnen ermöglicht.
Gesine, kannst du kurz die wichtigsten Ziele von TRAuM benennen?
Wir haben mit einer Konzeptentwicklung für die Antidiskriminierungsarbeit begonnen. Da geht es um Prävention aber auch um verlässliche Ansprechpersonen und solidarisches Bearbeiten von Meldungen. Am sichtbarsten ist derzeit das Angebot von Sensiblisierungsworkshops. Darauf aufbauend möchten wir gerne an Spieltagen Awarenesspersonen vor Ort haben, die auf einen respektvollen Umgang miteinander achten. Auch wollen wir alle in der Halle ermutigen, sich Diskriminierungen entgegen zu stellen und sich für ein gutes Miteinander aktiv einzusetzen.
Wie habt Ihr insgesamt die Stimmung auf den Rängen in den Handballarenen im Nachwuchs-Leistungssport (Jugendbundesliga) und in der zweiten Bundesliga erlebt in der letzten Saison?
Gesine: In der Jugendbundesliga beeindruckt mich die Euphorie, mit denen die Spiele von den Rängen aus begleitet werden. Das ist in der Regel sportlich fair, aber in der Emotionalität kommen eben auch schwierige Sprüche vor. Auch macht die gesellschaftliche Polarisierung natürlich nicht vor der Halle halt. Ein positiver Faktor ist inzwischen, dass es unter den Spielerinnen und Eltern durch die Jugendnationalmannschaften einige freundschaftliche Kontakte gibt. Das setzt dann automatisch schon eine gute Grundstimmung zwischen den Fangruppen und macht es auch einfacher, bei kritischen Situationen ins Gespräch zu kommen.
Kristina: Für die Frauenbundesliga bin ich sehr positiv von der Stimmung in den Hallen überrascht. Sie ist sehr fair. Das liegt sicherlich mit daran, dass in den Teams sehr viele internationale Spielerinnen sind, die nach Deutschland gekommen sind, um auf hohem Niveau Handball zu spielen. Daher spielt der Hintergrund der Person keine Rolle, sondern nur wie sie spielt. Ich mag das sehr, dass ich in die verschiedensten Hallen gehen kann, ohne die Sorgen haben zu müssen, dass dort irgendwelche Fangesänge oder Kommentare oder sonstiges kommen könnte. Ich habe in der Liga weder auswärts noch zuhause irgendwelche Erfahrungen gemacht, dass jemand bei den Spielen diskriminierend war. Das ist eine super Atmosphäre! Und natürlich ist das ein super Gefühl in einer Sportwelt unterwegs zu sein, wo das kein Thema ist!
Was sind die nächsten Schritte im Projekt?
Gesine: Für alle Interessierten in der TSC Handballgemeinschaft gibt es jetzt ein halbtägiges Workshopangebot, wo wir Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Diskriminierung besprechen wollen. Diese finden am 20. Und 27. September von 9-13 Uhr statt. Anmelden kann man sich noch hier (https://forms.office.com/e/kv5qj3J1vE).
Birgit: Als Abteilungsleitung stehen wir voll dahinter. Wir können durch die „hands up for more“-Kampagne des DHB sogar ermöglichen, unter allen Teilnehmenden ein Nationalmannschaftstrikot mit allen Unterschriften des Frauenteams zu versteigern.
Gesine: Diese Idee ist großartig! Wir werden dann noch einen dritten Workshop im Oktober haben, wo wir unsere Entwürfe für ein Konzept und einen Leitfaden zum Umgang mit Diskriminierung weiter diskutieren. Eingeladen werden die Abteilungsleitung, der Vorstand des Gesamtvereins und Vertreter:innen des HVB. Mit einem Vertreter des HVB-Schiedsrichterausschusses haben wir uns bereits beraten, das hat schon gezeigt, wie wichtig dieser Austausch zu den Möglichkeiten aller Beteiligter ist.
Kristina und Birgit, zum Abschluss die Frage, wo denkt ihr, steht der deutsche und speziell der Berliner Frauenhandball in Sachen Diversity und Antidiskriminierung aktuell und wo seht ihr uns in fünf Jahren?
Birgit: Das ist natürlich eine sehr weitreichende Frage. Beim Thema Gleichstellung von Männern und Frauen hat sich ja schon einiges bewegt. Der DHB hat beispielsweise mit der Einführung der gleichen Tagessätze bei den Frauen und Männer-Nationalteams bereits ein wichtiges Zeichen gesetzt. Zur Sensibilisierung gegen Rassismus und Diskriminierung gibt es erste Initiativen, beispielsweise in der DHB-online Akademie ein digitales Angebot. Die Frage ist natürlich, wie solche Impulse weitergeführt und mit Leben gefüllt werden. Ich sage mal optimistisch: wenn wir als Frauen uns da noch stärker in den Strukturen einbringen, kann das den Prozess nur beschleunigen. Neben sexistischer und rassistischer Diskriminierung werden auch Themen wie psychische Probleme wegen Diskriminierung oder Bodyshaming eine Rolle spielen müssen.
Nicht so optimistisch bin ich, was die gleichen Chancen für Profisportlerinnen betrifft – den wichtigsten Aspekt der Gleichstellung werden wir meiner Meinung nach auch in fünf Jahren leider nicht erreicht haben: dass Profisportlerinnen von ihrem Sport leben können. Das werden wir mit unserer Initiative nicht ändern können.
Kristina: Ich denke, dass wir mit dem Projekt TRAuM wirklich eine tolle Initiative ins Leben gerufen haben. Weil wir die Themen von Vielfalt und Diskriminierung ansprechen, können sich davon viele Vereine inspirieren lassen. Also: wie geht man mit bestimmten Situationen um? Wie kann man betroffenen Personen helfen? Welche Ansprechpersonen haben wir? Da haben wir einen wichtigen Schritt gemacht und sind auf einem super Weg. Ich denke, dass sich das in fünf Jahren gefestigt haben wird. Gerade weil es für viele Vereine eine neue Sache ist, die aber jetzt zunehmend wichtiger wird. In fünf Jahren wird sich das gefestigt haben und wir werden offener über Diskriminierungen sprechen können. Ich bin da sehr positiv gestimmt, gerade im Berliner Raum wird sich super viel ändern.
Viel Erfolg weiterhin mit euerm Projekt! Wir sind gespannt darauf, wie es weitergeht!
Und natürlich vielen Dank für das Interview!