Patrick Hausding beendet seine sportliche Karriere
Er ist der erfolgreichste deutsche Wasserspringer seiner Generation – vor knapp zwei Monaten verkündete unser Ehrenmitglied Patrick Hausding nun das Ende seiner sportlichen Karriere. In einem sehr offenen und sympathischen Austausch stand der 33-Jährige seiner Sportfamilie Rede und Antwort und verrät uns, wie er vor 22 Jahren zum Berliner TSC e.V. kam, welche Momente ihn am meisten bewegten und gibt uns sogar ein paar persönliche Einblicke in sein Leben.
1. Wie bist Du zum Wasserspringen und dem Berliner TSC e.V. gekommen?
Ich habe im Alter von 7 Jahren über ein Sichtungstraining beim SV Berliner VB 49 e.V. und dem SV K.V. Friesen e.V. zum Wasserspringen gefunden. Mit Eintritt in die Sportschule im Jahr 1999, dem damaligen Coubertin-Gymnasium, bin ich dann zum Berliner TSC e.V. gewechselt. Als Kind habe ich das natürlich nicht so bewusst wahrgenommen, das wurde alles durch meine Eltern organisiert.
2. Welche Sportart hättest Du betrieben, wenn es nicht das Wasserspringen geworden wäre?
Ich kann den Rückschlagspielen sehr viel abgewinnen und spiele zum Beispiel gerne Tischtennis oder Badminton. Ansonsten bin ich allgemein sehr sportaffin – ich habe Freude daran Sportarten kennenzulernen, mir technische Schwerpunkte anzueignen und mich so schnell zu verbessern. Sport macht einfach mehr Spaß, wenn man ihn auch beherrscht.
3. Welchen Traumberuf hattest Du in Deiner Kindheit?
Oh, das ist schon eine Weile her… Ich habe schon immer das Meer und die Unterwasserwelt geliebt, daher würde ich sagen, als Kind wäre ich gerne Meeresforscher geworden. Wasser ist eben mein Element! Aus heutiger Sicht würde ich das allerdings nicht mehr bestätigen. Ich finde die Unterwasserwelt wahnsinnig schön, aber habe auch viel Respekt vor dem, was einem im freien Ozean begegnen kann.
4. Wie hast Du Dich vor Deinem allerersten Sprung vom 10m Turm gefühlt, musstest Du Dich überwinden?
Nein, überwinden musste ich mich nicht. Ich war eher positiv aufgeregt und habe mich darauf gefreut. Meinen ersten Sprung vom 10m Turm hatte ich so im Alter von acht Jahren. Ich denke so ein Sprung vom 10m Turm eignet sich großartig für Charakterentwicklung – er erfordert Mut, fördert die Koordination und stärkt die Selbstsicherheit. Allerdings springt man erst mit 15 oder 16 professionell vom Turm. Es ist eine enorme Belastung für die Gelenke, vor allem im Wachstum, daher sind regelmäßige Sprünge oder Wettkämpfe vom Turm in der physischen Entwicklungsphase nicht erlaubt.
5. Was schätzt Du, wie oft bist Du in Deinem Leben von einem Sprungturm ins Wasser gesprungen?
Das ist eine gute Frage. Ich würde es nicht unterschreiben, aber die allgemeine Schätzung liegt bei rund 15.000 Sprüngen jährlich, bei 22 Jahren Leistungssport sind das vielleicht 300.000 bis 350.000 Sprünge, wirklich vom 10m Turm waren es im Laufe der Jahre mindestens 10.000 Sprünge.
6. Auf welchen Moment Deiner Karriere blickst Du am liebsten zurück? Was gehört zu Deinen Highlights?
Die Olympische Medaille im 3m Synchron mit Lars Rüdiger im letzten Jahr war ein besonderer Moment – wer den Fernseher anhatte konnte das sehen und vor allem auch hören. Nach der coronabedingten Wettkampfpause und vielen Monaten unter besonderen Trainingsbedingungen (Isolation, PCR-Tests, Masken) kam in diesem Moment sehr viel zusammen. Der Erwartungsdruck an sich selbst und auch von außen war sehr groß und es war toll, diesen letztendlich zu erfüllen – ein sehr emotionaler Moment!
Auch auf meine erste Olympische Medaille aus dem Jahr 2008 schaue ich sehr gerne zurück. Die Ereignisse überschlugen sich förmlich – ich war noch jung, 19 Jahre alt, hatte wenig Erfahrung und stand plötzlich auf internationaler Bühne. Es fing an mit der Olympiaqualifikation es folgte der Europameistertitel und dann die Silbermedaille in Peking. Damals konnte ich das noch gar nicht so richtig verarbeiten. Physisch war ich noch gar nicht im Leistungszenit und dachte, ich kann an diese Leistungen nicht anknüpfen – zum Glück wurde ich eines Besseren belehrt und es folgte acht Jahre später die Bronzemedaille in Rio de Janeiro.
Über die Jahre habe ich viele bleibende Erinnerungen sammeln können. Generell denke ich an alle Wettkampfhöhepunkte und die Olympischen Medaillen, Weltmeistertitel sowie Europameistertitel zurück. Eine ganz besondere Ehre war es dann noch im letzten Jahr, als Fahnenträger für Deutschland auserkoren zu werden.
7. Was wirst Du am meisten vermissen?
Ich werde definitiv die Gemeinschaft und den täglichen Austausch mit meinen Trainer:innen und Trainingskamerad:innen vermissen. Man kann sich das so vorstellen: das war ein Job, den man liebt sowie tolle Chefs und Arbeitskolleg:innen mit denen man viel Zeit bei Wettkämpfen und Trainingslagern verbracht hat. Da es jedoch physisch nicht mehr machbar ist, muss und möchte man sich umorientieren – dadurch verringert sich der Kontakt zwangsläufig nach und nach. Wenn es die Zeit zulässt, versuchen meine Frau und ich jedoch noch zwei Mal die Woche zum Training zu gehen.
8. Was wirst Du am wenigsten vermissen?
Ganz klar: die Schmerzen. Leistungssport, in meinem Fall Wasserspringen, wird Jahr für Jahr belastender für den Körper. Man spürt immer mehr, dass in den drei bis vier Wochen nach dem Jahreshöhepunkt der Druck abfällt und der Körper reagiert und sich die benötigte Pause nimmt – ich war dann zum Beispiel immer direkt eine Woche erkältet. Im Laufe der Jahre habe ich mehr und mehr Zeit mit Physiotherapie und funktionaler Reha verbracht, bis die Muskulatur und Gelenke das gemacht haben, was sie sollten. Das geht dann natürlich auf Lasten der spezifischen Trainingszeit. Jetzt, knapp ein Jahr nach den Olympischen Spielen, geht es mir physisch besser als vorher, da mein sportliches Programm mehr auf die Gesundheit ausgerichtet ist.
9. Wer war Dein größter Fan?
Meine Familie hat natürlich immer hinter mir gestanden. Ansonsten ist mir direkt Martin Wolfram in den Kopf gesprungen. Wir waren gemeinsam bei den Olympischen Spielen in London, Rio de Janeiro und Tokio. Martin hat mir immer auf eine humorvolle Art zu meinen Erfolgen gratuliert, aber ich wusste, dass er es zu 100% ernst gemeint und sich für mich gefreut hat.
10. Wo bist Du weltweit am liebsten gesprungen und warum?
Ich finde das London Aquatics Centre sehr schön – es ist groß und modern, zwar rustikal, aber schafft eine sehr schöne Atmosphäre. Dort bin ich ca. fünf bis sechs Mal zu diversen Veranstaltungen, unter anderem den Olympischen Spielen 2012, gesprungen. Außerdem war die Anlage des Alfréd-Hajós-Schwimmkomplexes in Budapest sehr schön. Dieser liegt auf der Margareteninsel mitten in der Donau und ist von Natur und viel Grün umgeben. Einen eindrucksvollen Ausblick bietet das Piscina Municipal de Montjuïc in Barcelona, dort hat man eine atemberaubende Sicht auf die ganze Stadt.
11. Was tust Du mit Deiner neu gewonnenen Freizeit?
Ich verbringe jetzt viel mehr Zeit in der Universität, dort studiere ich noch zweieinhalb Jahre Sport und Englisch auf Lehramt. Ansonsten habe ich regelmäßig verschiedene Termine, durch die ich in der ein oder anderen Art noch mit dem Wasserspringen in Kontakt komme. So ist meine Woche schnell gefüllt, aber ich versuche mich zu motivieren, es doch noch regelmäßig zum Sport zu schaffen.
12. Hast Du ein lustiges Hobby oder eine geheime Leidenschaft – sozusagen ein Guilty Pleasure?
Ich war immer etwas Punkrock behaftet, aber das würde ich nicht als Guilty Pleasure bezeichnen. Ansonsten war ich ein riesiger Fan der Backstreet Boys. Natürlich wollte ich damals auch gerne so aussehen, wie meine Idole, daher habe mir sogar blonde Spitzen gefärbt. Das sah echt schlimm aus! Ich kann leider nicht gut singen, daher wäre ich wahrscheinlich auch nicht gut in einer Boyband aufgehoben gewesen.
13. In unserer Sportfamilie gibt es viele junge Sportler:innen, die gerne so erfolgreich werden möchten, wie Du. Gibt es etwas, das Du ihnen mit auf den Weg geben möchtest?
Generell denke ich, dass man nur mit Spaß zum Erfolg kommt. Leistungssport ist kein Zuckerschlecken und kann oft eine Quälerei sein, daher ist viel Kampfgeist und Durchhaltevermögen gefragt, um erfolgreich zu sein. Wie auch im richtigen Leben macht man nicht nur positive Erfahrungen, also lernt mit Misserfolgen umzugehen und wächst daran. Oftmals realisiert man erst im Nachgang, was der Sport einem gebracht hat, daher ist es wichtig, die Fortschritte, die man macht, zu verinnerlichen und auch zu reflektieren. Zusammenfassend würde ich sagen, Leistungssport ist eine Lebensschulung – gepaart mit viel Spaß und tollen Menschen um einen herum vermittelt er einem maßgebliche Werte, wie Disziplin, Ehrgeiz oder Fairplay.
Eins ist nach dem Austausch mit Patrick sicher: die Nähe zum Sport und dem Berliner TSC e.V. bleibt! Wir sind gespannt, wohin ihn sein neuer Lebensabschnitt verschlägt und sind sehr stolz, dass wir seine sportliche Laufbahn begleiten durften.